Es ist Mittwoch.

Mama und Papa brauchen für die nächsten Tage Lebensmittel.

Die Bestelltelefonate laufen eigentlich fast immer nach Schema F ab. Ich habe das mal beispielhaft zusammengefasst und auf einen Nenner gebracht.

Ich: „Okay, gehen wir mal die [online gespeicherte, Anm. d. Red.] Einkaufsliste durch. Also, wie sieht’s mit Milch aus?“

Papa (aus dem Hintergrund): „Wir brauchen Quark. Fünf Mal.“

Mama (am Telefon): „Wenn Ihr beide gleichzeitig redet, verstehe ich kein Wort. Was hast Du gesagt?“

Papa und ich gleichzeitig: „Wie sieht’s mit Milch aus? / Wir brauchen Quark. Fünf Mal.“

Mama (am Telefon): „Okay. Also Quark. Fünf Mal.“

Ich: „Okay. Ist notiert.“ Ist ja nicht mein Problem, ob sie die Milch kommende Woche schmerzlich vermissen. Warten wir mal ab, ob sie noch von alleine darauf kommen.

Mama: „Und Brot. Ein Mal.“

Papa (empört): “ Zwei Mal! Mindestens! Bestell nicht immer so knapp!“

Mama (unwirsch): „Aber da ist doch noch eine ganze Tüte!“

Papa (erklärend): „Da sind noch drei Scheiben. Was meinst Du, wie lange die reichen?!?“

Mama (resignierend): „Jaja. Zwei Mal Brot. Und Tomaten. 30 Stück.“

Ich (ungläubig): „30 Stück?!“

Mama: „Ja. Ich esse die gerade sehr gerne und sehr viele davon.“

Papa (aus dem Hintergrund): „Ich nicht.“

Ich (muss da sicher gehen): „30 Stück in einer Woche??“

Mama: „Ja, warum nicht?“

Ich (staunend): „Das sind gut vier Stück am Tag!“

Mama: „Die sind gut für mein Herz. Solltest Du auch mal essen. Das ist ganz wichtig. ÜBERLEBENSWICHTIG sogar. Ohne meine 4 Tomaten am Tag muss ich wieder ins Krankenhaus.“

Ich: „Nein, Mama, ohne Deine Herztabletten musst Du wieder ins Krankenhaus. Nimmst Du die eigentlich noch regelmäßig?“

Mama: „Zwei Mal Küchenrolle.“

Papa (ruft): „Und Schokolade.“

Mama (bestimmend): „Du hast noch Schokolade.“

Papa: „Aber nicht mehr viel.“

Mama: „Die viele Schokolade ist gar nicht gut für Dich.“

Ich klicke heimlich im Hintergrund die gewohnten Schokoladentafeln in den Warenkorb. Was das betrifft, bin ich Vatertochter.

Mama (mahnend, an mich gewandt): „Bestell nicht wieder heimlich was!“

Ich (ertappt): „Nein, nein.“

Entferne drei von fünf Tafeln aus dem Warenkorb. Irgendeine Freude muss man dem armen Mann doch lassen.

Papa (ruft): „Und meine Pommersche Gutsleberwurst. 2 Mal.“

Mama: „Nein, die nicht. An der habe ich mich übergessen.“

Papa: „Die ist ja auch für mich.“

Mama (zu mir): „Gutsleberwurst mögen WIR nicht mehr.“

Papa (bockig): „Warum darfst Du 30 Tomaten bestellen, ich aber keine Pommersche Gutsleberwurst?“

Loriot hätte seine wahre Freude an meinen Eltern gehabt.

Ich klicke im Hintergrund Pommersche Gutsleberwurst in den Warenkorb. Ja, ich bin parteiisch. Na und?

Mama (fühlt sich hörbar in die Enge gedrängt): „Ihr bringt mich ganz durcheinander. Wir brauchen noch Milch. Da hätte ja auch mal jemand von Euch dran denken können. Nicht immer nur an Schokolade.“

Ich (wissentlich, dass es eigentlich sinnlos ist): „Das sagte ich doch ganz am Anfang, als mir keiner zugehört hat.“

Mama (ignoriert das): „Haben die auch frische Rouladen?“

Ich: „Abgepackte, ja.“

Mama: „Dann 500g frische Rouladen.“

Papa: „Bananen. 5 Stück.“

Mama: „Nein, von Bananen sind wir ab.“

Meine Eltern, die Bananenjunkies, haben offensichtlich gerade einen Entzug hinter sich.

Papa: „Ich nicht!“

Okay. Papa nicht. Ich bestelle 5 Bananen.

Mama: „Wir brauchen noch Gemüsebrühe. Die gibt es im Glas, hörst Du? Damit würzt man Gerichte, oder man kann sie auch als Basis für Suppen verwenden.“

Ich (koche seit 20 Jahren selbst): „Ja, Mama, ich weiß, was Gemüsebrühe ist.“

Mama (staunend): „Wirklich?!?“

Man bleibt doch immer Kind. Selbst, wenn man schon 36 Jahre alt ist.

Mama (misstrauisch): „Hast Du auch die 30 Tomaten? Es müssen unbedingt die Rispentomaten sein, nicht diese kleinen Cherrytomaten. Ich brauche die unbedingt.“

Ich (geduldig): „Klar, weiß ich doch. Ist notiert. Okay, kommen wir zur Lieferzeit. Übermorgen zwischen 11 und 13 Uhr, 13 und 15 Uhr und 15 und 17 Uhr ist noch frei. Wann möchtet Ihr?“

Mama (felsenfest überzeugt): „Lieber 14 bis 16 Uhr.“

Ich: „Äh, nein. Es geht nur 11-13, 13-15 und 15-17 Uhr. In diesen Intervallen.“

Mama: „Hm. Dann 15 bis 17 Uhr.“ Und im Befehlston an Papa: „Merk Dir das bitte. Übermorgen 15 bis 17 Uhr.“

Papa: „Jaja.“

Ich: „Alles klar. Ich bestelle dann jetzt.“

Mama: „Vergiss den Milchreis nicht.“

Ich: „Den hattest Du noch gar nicht genannt.“

Mama (energisch): „Doch, 5 Mal. Der aus der Tüte. Habe ich doch gesagt.“

In diesen Momenten wünschte ich manchmal, ich könnte unsere Gespräche wie im Callcenter von Beginn an aufzeichnen lassen. Ich bin mir sicher, einige Tage später wäre das witzig, und ich könnte drüber lachen.

Und die Moral von der Geschicht: Der Lieferant bringt die Tomaten nicht. Ausverkauft.

Nächstes Telefonat.

Mama: „Diesmal sagst Du denen aber, dass sie die Tomaten liefern sollen. Aber sei nett zu denen.“

Tippe brav ins Kommentarfeld:

Bitte liefern Sie unbedingt die Tomaten. Sie sind überlebenswichtig. Liebe Grüße von meinen Eltern, und auf Wiederhören.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Author

In der Rush Hour des Lebens auf dem Standstreifen mit Warnblinker unterwegs: #carearbeit zwischen fast erwachsener Tochter (15) und pflegebedürftiger Mama (86) - mit Partner of Crime T und #happythehavi 🐶. Job: Redakteurin@echtemamas

2 Comments

  1. man mag es ja gar nicht laut sagen, weil die Umstände natürlich für Dich nicht grad witzig sind, aber: das ist sooo lustig geschrieben! Vielen Dank fürs Teilen, Ilona!!!

    • Bitte, bitte, wollte ich noch sagen, und ich freue mich, dass Du hier warst, liebe Nicole. Ein kleiner Flashback in die Prinz-Vergangenheit 😉 LG

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