Heute ist Mamas Umzug genau ein Jahr her. Wie wir den Möbelwagen gepackt haben, mit den nötigsten Sachen. Wie wir gemeinsam zum PKW gegangen sind und wussten: Sie kehrt jetzt nicht mehr zurück. Ich sehe uns beide noch die Straße entlang fahren und höre sie sagen: „So, das war’s dann jetzt mit mir und Düsseldorf. Das war’s! 40 Jahre sind vorbei.“ Es war auch für mich ein komischer Moment. Ich würde noch etliche Male wiederkehren, um das Haus zu verkaufen, aber ich löste an diesem Tag ja auch mein altes Zuhause auf, indem ich Mama mitnahm. Keine Eltern mehr in Düsseldorf. Das war traurig und erleichternd zugleich.

Und wo stehen wir nun?

Ich bin so stolz auf sie. So stolz auf uns. Die ersten Monate waren wirklich hart für sie, aber jetzt hat sie sich eingelebt. Seit einigen Wochen machen wir immer Sonntagsausflüge. Nach der Elbphilharmonie war die Lüneburger Heide dran, wir haben zu viert eine herrliche Kutschfahrt gemacht. Und heute ging es an den Elbstrand in Bassenfleth. Mama hat sich tapfer über den Deich gekämpft und 200 Meter bis zum Strand ohne Rollator bewältigt, an meinem Arm. Das ist sehr viel für sie. Aber sie hat es geschafft. Vor Ort haben wir den eigens gekauften Campingstuhl aufgestellt, und sie sagte: „Es ist so rührend, wie ihr das alles für mich macht.“

Sie spart sonst mit Lob.

Auch, wenn ich immer spüre, dass sie für alles, was wir tun, dankbar ist: Sagen tut sie es so deutlich eher selten, und das ist auch okay. Umso überraschter war ich heute, dass sie unsere Bemühungen so deutlich wahrnahm und artikulierte, was in ihr vorging. Vollkommen zufrieden und glücklich saß sie zwei Stunden lang in ihrem Campingstuhl, sprach über ihr Leben und beobachtete die Container-Pötte und Segler, die elbauf- und elbabwärts an uns vorbei zogen. Ich liebe diesen Strand, und es war ein toller Nachmittag. Es ist so schön, zu sehen, wie gut ihr sowas tut und wie sie aufblüht. Und dass sie zwischendurch versehentlich mit dem Campingstuhl umgekippt und auf dem etwas hügeligen Weg rückwärts in die Büsche gefallen ist, konnte sie nicht erschüttern. Sie saß verdattert im Busch und lachte in sich hinein, und weh getan hat sie sich zum Glück nicht, ist recht weich gelandet.

Wir schmieden Reisepläne.

Mama ist zwar immer noch nicht die Mobilste. Wir haben ja auch noch nicht alle Gesundheitsbaustellen beackert: Unter anderem müsste der Hüftschaden noch operiert werden, den sie seit Geburt mit sich herumschleppt, und der mit dem Alter natürlich nicht besser geworden ist. Mit dem Rollator kann sie sich sehr gut fortbewegen, aber ohne ist es doch sehr schwierig. Davon abgesehen geht es ihr aber gut, die Augen tun wieder ihren Dienst, das Herz wird medikamentös ganz gut in Schach gehalten. Und da heißt es:

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Mama hat Wünsche. Sie möchte einige Orte sehen und Dinge nachholen, die sie in den letzten Jahren versäumt hat. Letzte Woche lief im ZDF die schöne Doku „Mit 80 Jahren um die Welt„, in der ein paar Achtzigjährige noch mal gemeinsam die ganze Welt bereisen. Das hat sie schwer beeindruckt. Seitdem ist ihre ohnehin schon beachtliche Wunschliste noch mal um ein paar Ziele gewachsen:

  • Sie möchte nach Kiel, wo sie in den Fünfzigern ihre Teenagerzeit verbracht hat. Ist so gut wie erledigt.
  • Sie möchte nach Helgoland. Wir werden am Hamburger Hafen in den Halunderjet steigen, morgens hin, abends zurück, vielleicht sogar noch während unseres Sommerurlaubes.
  • Bei uns steht auch noch eine Minikreuzfahrt Kiel-Oslo auf dem Zettel.
  • Sie möchte nach Grottkau. Das ist der Ort in Schlesien, in dem sie geboren wurde, und es ist ein sehnlicher Wunsch, dorthin noch mal zurück zu kehren. Hier wird es schon etwas schwieriger, denn die Fahrt dorthin wird lang, aber davon lassen wir uns natürlich nicht ins Boxhorn jagen. Wir fahren sie dorthin, mit Zwischenstopps, aber das benötigt etwas mehr Planung und Vorlaufzeit.
  • Sie möchte mit der Queen Mary 2 fahren. Vor der Transatlantik-Tour hat sie Angst, weil sie denkt, es sei ein ungutes Zeichen, dass die Titanic ausgerechnet an ihrem Geburtstag (allerdings einige Jahre vor ihrer Geburt) auf genau dieser Strecke gesunken sei. Obwohl New York sie durchaus reizen würde, vor allem die Hafeneinfahrt. Aber wir denken erst mal über Hamburg-Southampton nach.
  • Daran könnte man nämlich gut einen langersehnten London-Besuch mit Besichtigung des Buckingham Palace anschließen.
  • Sie möchte mit der transsibirischen Eisenbahn fahren, das ist der vermutlich am schwierigsten zu realisierende Wunsch.

Ich hoffe wirklich sehr, dass wir möglichst viele dieser Punkte möglichst bald abhaken können. Denn niemand weiß, wie lange es ihr noch so gut geht wie heute. Wir haben keine Zeit zu verlieren.

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In der Rush Hour des Lebens auf dem Standstreifen mit Warnblinker unterwegs: #carearbeit zwischen fast erwachsener Tochter (15) und pflegebedürftiger Mama (86) - mit Partner of Crime T und #happythehavi 🐶. Job: Redakteurin@echtemamas

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